Im Bodenwasserhaushalt lässt sich zwischen dem Sickerwasser, welchen dem Grundwasser zufließt und dem Bodenkapillarwasser unterscheiden. Als Bodenkapillarwasser wird der Teil des Bodenwassers verstanden, der durch die Kapillarkräfte gegen die Schwerkraft gehalten werden kann, also der Feuchtegehalt bis Feldkapazität. Dieses Wasser kann nur durch Transpiration und Evaporation ausgeschöpft werden. Die Ausschöpfungstiefe bzw. die Mächtigkeit der wechselfeuchten Bodenzone wird dementsprechend durch die „Einflusstiefe“ der Vegetation (i.A. die Wurzeltiefe) und auf vegetationsfreien Standorten oder vegetationsfreien Perioden durch die „Einflusstiefe“ der Evaporation, also im Wesentlichen durch die Bodeneigenschaften (kapillare Saugspannung) bestimmt. Damit kann der Wassergehalt eines ungesättigten Standortes zwischen der Feldkapazität FK und permanentem Welkepunkt PWP bzw. im Bereich des pflanzenverfügbaren Wassers (FK-PWP) schwanken. Die Speicherkapazität der wechselfeuchten Bodenzone HS ergibt sich damit aus der Differenz zwischen Feldkapazität und permanentem Welkepunkt, bezogen auf die Mächtigkeit der verdunstungsbeeinflussten Bodenschicht (i.A. die Wurzeltiefe).
Innerhalb eines hydrologischen Modells besitzt die Modellierung des Bodenkapillarwasserhaushaltes dieser wechselfeuchten Bodenzone entscheidende Bedeutung, weil hier wichtige Abflussbildungsprozesse wie die Infiltration über die Feuchte und die Sickerwasserbildung gesteuert werden. Eingangsgröße für die Modellierung des Bodenkapillarwasserhaushaltes in ArcEGMO ist der infiltrierende Niederschlagsanteil aus dem INFILT-Modul (s.o.).
Bei der Abbildung des Bodenkapillarwasserhaushalts liegt ein Hauptaugenmerk auf der Berücksichtigung der Unterschiede in der flächenhaften Verteilung der Bodenspeicherkapazitäten. Selbst bei der Betrachtung relativ kleiner, „homogen“ erscheinender Teilflächen existieren im Boden bevorzugte Sickerwege (Makroporen), längs derer einsickernde Niederschläge schneller in tiefere Bodenschichten gelangen können als bei völlig homogenen Bodenverhältnissen. Sobald das Bodenkapillarwasserdefizit in der Umgebung dieser Sickerwege aufgefüllt ist kann bereits Sickerwasser anfallen. Die anfallende Sickerwassermenge steigt mit zunehmenden Bodenkapillarwasservorrat kontinuierlich und kann die Größe des Gesamtwasserangebotes erreichen. Aus diesem Grund ist es notwendig, den Unterschied zwischen der auf einen Einzelstandort (ein Bodenprofil) bezogenen Speicherkapazität des Bodens für Kapillarwasser (als profilbezogene Speicherhöhe) und dem entsprechenden, auf eine größere Fläche bezogenen Speichervorrat zu betrachten. Beide haben formal nur dann die gleiche Dimension (mm), wenn die Bezugsfläche gleich 1 gesetzt wird, daher muss dieser Unterschied bei der Ermittlung dieser Modellparameter aus Standortkennwerten berücksichtigt werden.
Nachfolgend wird die speichervolumenbezogene Betrachtung zugrunde gelegt. Dabei ergibt sich der Flächenanteil, auf dem noch freier Speicherraum für Bodenkapillarwasser vorhanden ist, aus dem aktuellen Bodenkapillarwasservorrat. Auf diesem Anteil trägt die gesamte Infiltration zur Auffüllung des Bodenkapillarwasservorrats bei, während sich auf dem restlichen Anteil Sickerwasser bildet. Solange der Bodenkapillarwasservorrat kleiner ist als die Bodenkapillarwasserkapazität, wird die Infiltration auf der gesamten Fläche zu Bodenkapillarwasserrückhalt, d.h. sie trägt insgesamt zur Erhöhung der Bodenkapillarwasserspeichermenge bei. Die momentane Auffüllungsintensität der Bodenkapillarwasserspeichermenge ist dann gleich der aktuellen Infiltrationsrate.
Neben der flächenhaften Betrachtung des Bodenwasserkapillarhaushalts spielt jedoch auch die vertikale Verteilung der Bodenkapillarwasserspeichermenge eine Rolle. Aus diesem Grund wurde ein Zweischichtkonzept entwickelt, dass die Auffüllungs- und Ausschöpfungsberechnungen in einen oberen und eine unteren Speicher aufteilen. Die Speicherkapazität des unteren Speichers beträgt die Hälfte der oberen Schicht, auf diese Weise bleibt die Berücksichtigung der flächenhaften Verteilung der Kapillarwasserspeicherkapazität auch in der unteren Schicht bestehen.
Der obere Speicher ist gleichmäßig über die gesamte Bezugsfläche verteilt. In Niederschlagsperioden wird er bis Kapillarwasserspeicherkapazität aufgefüllt. Weiteres ankommende Niederschlagswasser sickert in den unteren Speicher. Analog erfolgt in niederschlagsfreien bzw. -armen Perioden zunächst eine Ausschöpfung des oberen Speichers, erst dann beginnt die Ausschöpfung des unteren Speichers. Ausschöpfung und Auffüllung des unteren Speichers finden also nur statt, wenn der Output des oberen Speichers ungleich Null ist, d.h. wenn die erste Schicht entweder völlig leer oder voll gefüllt ist. Damit wird berücksichtigt, dass alle Speicheränderungsprozesse von der Bodenoberfläche her erfolgen.
Im unteren Speicher werden weiterhin maximal zwei Bodenkapillarwasserschichten betrachtet. Entsprechend dem genannten Grundsatz wird stets zuerst die obere Teilschicht ausgeschöpft bzw. aufgefüllt, danach die untere. Durch diesen Ansatz wird das Modell zwei grundlegenden Umständen gerecht:
- Die Einsickerung erfolgt in bevorzugten Sickerbahnen, was dazu führt, dass unterhalb der ersten Schicht ein bestimmter Flächenanteil vom Sickerwasser schwerer erreicht wird.
- Tiefwurzelnde Pflanzen schöpfen auch aus größerer Tiefe Wasser, selbst wenn in höher gelegenen Schichten noch Wasservorräte vorhanden sind.
Weiterhin wird berücksichtigt, dass eine Auffüllung der Bodenfeuchte auf grundwasserbeeinflussten bzw. -nahen Standorten auch durch Kapillaraufstieg, also von „unten“ erfolgen kann. Für diesen Fall vereinfachen sich die bisher beschriebenen Modellalgorithmen. Als grundwassernah wird definitionsgemäß ein Standort oder eine Fläche dann bezeichnet, wenn der Grundwasserspiegel die wechselfeuchte Bodenzone erreicht oder innerhalb dieser liegt.
Diese wird durch den Ausschöpfungsbereich der Evapotranspiration bzw. die durchwurzelte Bodenzone begrenzt. Für grundwassernahe Standorte wird ein auftretendes Bodenfeuchtedefizit durch den Kapillaraufstieg aufgefüllt, der als negative Grundwasserneubildung berechnet wird.