Das EGMO-Modul bildet das grundlegende Modellmodul in ArcEGMO. Zum überwiegenden Teil handelt es sich bei den im EGMO-Modul genutzten Teilmodellen um konzeptionelle Modelle (z.B. Speichermodelle, Translationsmodelle, Speicherkaskaden u.ä.), deren Parameter physikalisch begründet sind und GIS-gestützt unter Nutzung von ArcEGMO aus allgemein verfügbaren Landoberflächenkennwerten (u.ä.) bestimmt werden können.
Die nachfolgend beschriebenen Modellkomponenten beschreiben die Abflussbildung auf grundwasserfernen und -nahen Flächen unter Berücksichtigung der Interzeption, der Infiltration und Muldenspeicherung, sowie des Bodenwasserhaushalts. Dementsprechend vereint das EGMO-Modul eine Reihe von Modellkomponenten in sich.
Zunächst wird hier kurz auf die Eingangsdaten für ArcEGMO eingegangen, bevor die einzelnen Komponenten beleuchtet werden.
Eingangsdaten
Modelleingangsdaten sind Zeitreihen des Niederschlagsdargebots und der potentiellen Verdunstung. Berechnet werden grundsätzlich die reale Verdunstung, der Effektivniederschlag, der Landoberflächenabfluss und die Grundwasserneubildung (bei Einhaltung bestimmter Randbedingungen für beliebige Zeitschrittweiten). Die nachfolgend beschriebenen Routinen zur Erfassung von Teilprozessen der Abflussbildung werden beginnend mit der Interzeption nacheinander abgearbeitet. Ausgangsgrößen des zeitlich vorgeschalteten Teilmodells sind wiederum Eingangsgrößen für das nachgeschaltete Teilmodell. Zu Beginn eines jeden Berechnungszeitschritts wird das Interzeptionsmodul vorgeschaltet und die Eingangsgrößen für dieses Teilmodell ermittelt. In den nachfolgend beschriebenen Teilmodellen werden in Abhängigkeit von der Differenz aus Niederschlag und potenzieller Verdunstung Ansätze aktiviert, die entweder das Auffüllungs- oder Ausschöpfungsverhalten beschreiben.
Interzeption (INTZEP)
Die Vegetation hält einen Teil des Niederschlages zurück. Dieser Niederschlagsanteil kann durch die Verdunstung wieder ausgeschöpft werden und stellt einen Anfangsverlust dar, dessen Größe durch die Art der Flächennutzung bzw. der Vegetation bestimmt wird. Dieser Prozess wird auch als Interzeption bezeichnet. Wenn der Niederschlag das Rückhaltevermögen bzw. die Kapazität der Interzeptionsspeicherung überschreitet, kann ein Niederschlagsanteil die Bodenoberfläche erreichen.
Die hier ablaufenden hydrologischen Prozesse werden mit dem einfachen Ansatz „abflussloser Einzelspeicher mit Überlauf“ modelliert, da mit umfangreichen Sensitivitätsanalysen nachgewiesen werden konnte, dass ihre Bedeutung im hydrologischen Gesamtregime relativ gering ist. Wenn die Modellierung des Verdunstungsprozesses im Vordergrund steht, sind detailliertere Ansätze angebracht. Mögliche Fehler durch die vereinfachte Modellierung werden jedoch bei weitem durch andere Fehler, z.B. durch die ungenaue Erfassung der flächenhaften Niederschlagsverteilung, überwogen.
Sättigungsflächenbildung (ANSAT)
Im EGMO-Ansatz wird die Sättigungsflächenbildung über einen Ansatz gesteuert, der eine aktuelle Speicherfüllung ins Verhältnis zu einer maximalen und einer minimalen Sickerwasserspeicherkapazität setzt. Die maximale Speicherkapazität ergibt sich aus dem Grundwasserflurabstand, bezogen auf die Differenz zwischen Gesamtporenraum und Feldkapazität, die minimale Speicherkapazität beträgt Null. Zudem wird ein Faktor festgelegt der mit der Speicherkapazität multipliziert wird. Dieser dient einer flexibleren Gestaltung der Speicherkapazität und insbesondere der Kalibrierfähigkeit des Sättigungsabfluss-bildungsprozesses.
Abflussbildung an der Bodenoberfläche (INFILT)
Übersteigt das Wasserangebot an der Bodenoberfläche das aktuelle Infiltrationsvermögen Fpot des Bodens, so entsteht Effektivniederschlag. Der Effektivniederschlag wird in einem Muldenspeicher zwischengespeichert und im nächsten Berechnungszeitschritt erneut zur Infiltration angeboten. Beim Überlaufen dieses Speichers entsteht Landoberflächenabfluss. Die Kapazität dieses Speichers ist insbesondere abhängig vom Geländegefälle. Bei geeigneten Abflussbedingungen (merkliches Geländegefälle und „micro-channels“) und geringer Vorfluterentfernung der Entstehungsflächen erreicht dieser Landoberflächenabfluss schnell den Vorfluter und wird abflusswirksam. Er kann dann dem Direktabfluss, also der schnellsten, meist oberflächlich fließenden Abflusskomponente in einem Einzugsgebiet, zugeordnet werden.
Die Infiltration spielt zusammen mit dem Bodenwasserhaushalt eine zentrale Rolle innerhalb des hydrologischen Regimes. Auf Grund der hohen Dynamik des Infiltrationsprozesses und seiner starken Abhängigkeit von sehr ortsvariablen Standorteigenschaften wie Bodenart (Leitfähigkeit, aber auch Porosität, Makroporenanteil und Saugspannung) und zeitvariablen Einflüssen wie Bodenfeuchte und Bearbeitungszustand bei landwirtschaftlichen Nutzflächen ist eine exakte Prozessbeschreibung nur mit sehr detaillierten, standortbezogenen Ansätzen hoher zeitlicher Auflösung (Minuten bis Stunden) möglich. Diese Ansätze versagen in der Regel bei der Modellierung größerer Flächeneinheiten, weil weder die notwendige örtliche noch die zeitliche Auflösung der Eingangsdaten (Niederschlag), der Systemzustände (Bodenfeuchte) und der Systemeigenschaften (Bodenart) gegeben ist.
Es wurden deshalb Ansätze entwickelt, die für größere Zeit- und Raum-Dimensionen den Effektivniederschlag als Zielgröße richtig berechnen, wobei toleriert wurde, dass Teilprozesse wie das Fortschreiten der Feuchtefront im Boden vernachlässigt werden. Unter der Voraussetzung, dass der „zeitliche Verlauf von Infiltrationsvermögen und -intensität in befriedigender Weise als Funktion des im Boden gespeicherten Wassers berechnet werden kann“ (Peschke 1980), wurde das Konzept INFILT zur Modellierung des Infiltrationsprozesses entwickelt. Es berücksichtigt vereinfacht linear die flächenhafte Verteilung der gesättigten hydraulischen Leitfähigkeit innerhalb der jeweiligen Bezugsfläche. Der Vorteil dieser Vorgehensweise wird in der Abbildung rechts verdeutlicht. Während Ansätze, die nur das mittlere Infiltrationsvermögen Fmit betrachten, im angegebenen Fall keinen Effektivniederschlag berechnen, ermittelt INFILT für Standorte mit geringem Infiltrationsvermögen einen Effektivniederschlag (hellgraues Dreieck).
Ausgegangen wurde bei der Ableitung der Berechnungsgleichung für das aktuelle Infiltrationsvermögen eines Standortes von der Infiltrationsgleichung nach HOLTAN. Das Infiltrationsvermögen ist also bestimmt durch die gesättigte hydraulische Leitfähigkeit und die aktuelle Bodenfeuchte. „Die sukzessive Auffeuchtung bei fortschreitender Infiltration reduziert … die Infiltrationsintensität. Erreicht sie schließlich vernachlässigbar kleine Werte, stellt sich die Infiltrationsintensität auf den konstanten Wert der gesättigten hydraulischen Leitfähigkeit in der Oberfläche ein. Für die hohen Infiltrationsintensitäten im Anfangsstadium der Infiltration sind also die Adsorptions- und Kapillarkräfte erforderlich, während der Prozess im Spätstadium mit geringen Intensitäten durch die Schwerkraft … aufrechterhalten wird.“ (Dyck/Peschke 1983)
Der beschriebene Ansatz wird in Kombination mit einem einfachen Ansatz zur Berücksichtigung der Muldenspeicherung (analog der Interzeptionsspeicherung) abgearbeitet. Der berechnete Effektivniederschlag bildet den Input in diesen Speicher, dessen Überlauf abflusswirksam wird und eine Komponente des Landoberflächenabfluss bildet. Zu Beginn jeden Berechnungszeitschritts wird der aktuelle Inhalt des Muldenspeichers gemeinsam mit dem Output des Interzeptionsspeichers zur Infiltration angeboten. Beide Ansätze können auf beliebige, heterogene Flächen angewendet werden, um die Aufteilung des bodenwirksamen Niederschlages in Effektivniederschlag bzw. Landoberflächenabfluss und Einsickerung in den Boden zu berechnen. Diese bildet wiederum den Input für das nachfolgend beschriebene Bodenwasserhaushaltsmodell.
Bodenkapillarwasserhaushalt (BOKA)
Im Bodenwasserhaushalt lässt sich zwischen dem Sickerwasser, welchen dem Grundwasser zufließt und dem Bodenkapillarwasser unterscheiden. Als Bodenkapillarwasser wird der Teil des Bodenwassers verstanden, der durch die Kapillarkräfte gegen die Schwerkraft gehalten werden kann, also der Feuchtegehalt bis Feldkapazität. Dieses Wasser kann nur durch Transpiration und Evaporation ausgeschöpft werden. Die Ausschöpfungstiefe bzw. die Mächtigkeit der wechselfeuchten Bodenzone wird dementsprechend durch die „Einflusstiefe“ der Vegetation (i.A. die Wurzeltiefe) und auf vegetationsfreien Standorten oder vegetationsfreien Perioden durch die „Einflusstiefe“ der Evaporation, also im Wesentlichen durch die Bodeneigenschaften (kapillare Saugspannung) bestimmt. Damit kann der Wassergehalt eines ungesättigten Standortes zwischen der Feldkapazität FK und permanentem Welkepunkt PWP bzw. im Bereich des pflanzenverfügbaren Wassers (FK-PWP) schwanken. Die Speicherkapazität der wechselfeuchten Bodenzone HS ergibt sich damit aus der Differenz zwischen Feldkapazität und permanentem Welkepunkt, bezogen auf die Mächtigkeit der verdunstungsbeeinflussten Bodenschicht (i.A. die Wurzeltiefe).
Innerhalb eines hydrologischen Modells besitzt die Modellierung des Bodenkapillarwasserhaushaltes dieser wechselfeuchten Bodenzone entscheidende Bedeutung, weil hier wichtige Abflussbildungsprozesse wie die Infiltration über die Feuchte und die Sickerwasserbildung gesteuert werden. Eingangsgröße für die Modellierung des Bodenkapillarwasserhaushaltes in ArcEGMO ist der infiltrierende Niederschlagsanteil aus dem INFILT-Modul (s.o.).
Bei der Abbildung des Bodenkapillarwasserhaushalts liegt ein Hauptaugenmerk auf der Berücksichtigung der Unterschiede in der flächenhaften Verteilung der Bodenspeicherkapazitäten. Selbst bei der Betrachtung relativ kleiner, „homogen“ erscheinender Teilflächen existieren im Boden bevorzugte Sickerwege (Makroporen), längs derer einsickernde Niederschläge schneller in tiefere Bodenschichten gelangen können als bei völlig homogenen Bodenverhältnissen. Sobald das Bodenkapillarwasserdefizit in der Umgebung dieser Sickerwege aufgefüllt ist kann bereits Sickerwasser anfallen. Die anfallende Sickerwassermenge steigt mit zunehmenden Bodenkapillarwasservorrat kontinuierlich und kann die Größe des Gesamtwasserangebotes erreichen. Aus diesem Grund ist es notwendig, den Unterschied zwischen der auf einen Einzelstandort (ein Bodenprofil) bezogenen Speicherkapazität des Bodens für Kapillarwasser (als profilbezogene Speicherhöhe) und dem entsprechenden, auf eine größere Fläche bezogenen Speichervorrat zu betrachten. Beide haben formal nur dann die gleiche Dimension (mm), wenn die Bezugsfläche gleich 1 gesetzt wird, daher muss dieser Unterschied bei der Ermittlung dieser Modellparameter aus Standortkennwerten berücksichtigt werden.
Nachfolgend wird die speichervolumenbezogene Betrachtung zugrunde gelegt. Dabei ergibt sich der Flächenanteil, auf dem noch freier Speicherraum für Bodenkapillarwasser vorhanden ist, aus dem aktuellen Bodenkapillarwasservorrat. Auf diesem Anteil trägt die gesamte Infiltration zur Auffüllung des Bodenkapillarwasservorrats bei, während sich auf dem restlichen Anteil Sickerwasser bildet. Solange der Bodenkapillarwasservorrat kleiner ist als die Bodenkapillarwasserkapazität, wird die Infiltration auf der gesamten Fläche zu Bodenkapillarwasserrückhalt, d.h. sie trägt insgesamt zur Erhöhung der Bodenkapillarwasserspeichermenge bei. Die momentane Auffüllungsintensität der Bodenkapillarwasserspeichermenge ist dann gleich der aktuellen Infiltrationsrate.
Neben der flächenhaften Betrachtung des Bodenwasserkapillarhaushalts spielt jedoch auch die vertikale Verteilung der Bodenkapillarwasserspeichermenge eine Rolle. Aus diesem Grund wurde ein Zweischichtkonzept entwickelt, dass die Auffüllungs- und Ausschöpfungsberechnungen in einen oberen und eine unteren Speicher aufteilen. Die Speicherkapazität des unteren Speichers beträgt die Hälfte der oberen Schicht, auf diese Weise bleibt die Berücksichtigung der flächenhaften Verteilung der Kapillarwasserspeicherkapazität auch in der unteren Schicht bestehen.
Der obere Speicher ist gleichmäßig über die gesamte Bezugsfläche verteilt. In Niederschlagsperioden wird er bis Kapillarwasserspeicherkapazität aufgefüllt. Weiteres ankommende Niederschlagswasser sickert in den unteren Speicher. Analog erfolgt in niederschlagsfreien bzw. -armen Perioden zunächst eine Ausschöpfung des oberen Speichers, erst dann beginnt die Ausschöpfung des unteren Speichers. Ausschöpfung und Auffüllung des unteren Speichers finden also nur statt, wenn der Output des oberen Speichers ungleich Null ist, d.h. wenn die erste Schicht entweder völlig leer oder voll gefüllt ist. Damit wird berücksichtigt, dass alle Speicheränderungsprozesse von der Bodenoberfläche her erfolgen.
Im unteren Speicher werden weiterhin maximal zwei Bodenkapillarwasserschichten betrachtet. Entsprechend dem genannten Grundsatz wird stets zuerst die obere Teilschicht ausgeschöpft bzw. aufgefüllt, danach die untere. Durch diesen Ansatz wird das Modell zwei grundlegenden Umständen gerecht:
- Die Einsickerung erfolgt in bevorzugten Sickerbahnen, was dazu führt, dass unterhalb der ersten Schicht ein bestimmter Flächenanteil vom Sickerwasser schwerer erreicht wird.
- Tiefwurzelnde Pflanzen schöpfen auch aus größerer Tiefe Wasser, selbst wenn in höher gelegenen Schichten noch Wasservorräte vorhanden sind.
Weiterhin wird berücksichtigt, dass eine Auffüllung der Bodenfeuchte auf grundwasserbeeinflussten bzw. -nahen Standorten auch durch Kapillaraufstieg, also von „unten“ erfolgen kann. Für diesen Fall vereinfachen sich die bisher beschriebenen Modellalgorithmen. Als grundwassernah wird definitionsgemäß ein Standort oder eine Fläche dann bezeichnet, wenn der Grundwasserspiegel die wechselfeuchte Bodenzone erreicht oder innerhalb dieser liegt.
Diese wird durch den Ausschöpfungsbereich der Evapotranspiration bzw. die durchwurzelte Bodenzone begrenzt. Für grundwassernahe Standorte wird ein auftretendes Bodenfeuchtedefizit durch den Kapillaraufstieg aufgefüllt, der als negative Grundwasserneubildung berechnet wird.
Verdunstungsreduktion auf grundwassernahen Flächen
In Bezug auf den zuletzt behandelten Aspekt im Bodenwasserkapillarhaushalt spielt die Verdunstungsreduktion auf grundwassernahen Flächen eine Rolle. Die reale Verdunstung auf grundwassernahen Flächen ist in der Regel gleich der potentiell möglichen, weil das oberflächennah anstehende Grundwasser für ein ausreichendes Feuchteangebot sorgt. In langanhaltenden, sommerlichen Trockenperioden kann aber der Eigenwasservorrat der Fläche soweit gemindert werden, dass seine Oberfläche in Tiefen absinkt, in denen der Bezugswasservorrat nur noch bedingt durch die Transpiration der Vegetation reduziert werden kann. Mit absinkendem Grundwasserspiegel kommt es also zu einer Minderung der Verdunstung bzw. es ergibt sich ein Verdunstungsdefizit, bis Grundwasserlagen erreicht werden, die nicht mehr ausschöpfbar sind und die reale Verdunstung gegen „Null“ geht. Für diesen Zusammenhang wird in ArcEGMO ein linearer Ansatz genutzt, der den Infiltrationsinput, den Bezugswasservorrat und dias Verdunstungsdefizit betrachtet.